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  • karinrogalska

Ganz normale Menschen (18. Mai 2024)

Europa erlebt eine Welle der Gewalt gegen Politiker*innen. Vorläufiger trauriger Höhepunkt ist das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico. Er sei mit der Politik der Regierung nicht einverstanden, äußerte der mutmaßliche Schütze in einem ersten Verhör zu seinem Motiv.


So schlicht, so grausam.


Die Ermittelnden gehen von einem "einsamen Wolf" aus. Für die konkrete Tat entspricht es sicher dem, was geschehen ist. Man könnte auch ein Flehen herauslesen, dass die Gesellschaft endlich zu dem zurückfindet, was die Slowakei nach der Jahrtausendwende zum vielbestaunten "Tatra-Tiger" werden ließ: Offenheit und Diskussionsfreude. Ein frommer Wunsch?


Zahlreiche slowakische Politiker*innen haben jedenfalls seit dem Attentat eine Rückkehr zur gesellschaftlichen Vernunft gefordert. Es wurden aber auch schon Stimmen laut, wonach Fico und der mutmaßliche Täter viel gemeinsam hätten. In ausländischen Medien wiederum hieß es nicht selten, der Regierungschef selbst habe nicht wenig zur drastischen Verschärfung des politischen Klimas beigetragen, die in den Schüssen auf ihn gipfelte.


Zweifellos gehört das Attentat auf Fico juristisch wie gesellschaftlich gründlichst aufgearbeitet. Selbstredend müssen die Gründe dafür auch deutlichst benannt werden.


Die Analyse hat aber eine Grenze, da nämlich, wo es um die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens geht. Und eines dieser Fundamente ist: Niemand hat das Recht, andere zu töten oder den Versuch dazu zu unternehmen. Man mag mit dem Politiker Fico nicht einer Meinung sein, den Menschen Fico hat man leben zu lassen. Punkt.


So entrückt politisch Aktive bisweilen erscheinen, sind und bleiben sie Menschen. Aus unserer Mitte. Schildern sie die Mühen ihres Berufslebens, heißt es nicht selten mit einem Totschlagargument, sie hätten sich das doch selbst so ausgesucht.


Daran ist richtig, dass niemand gezwungen ist, Politiker*in zu werden. Man geht, wenngleich aus unterschiedlichen Beweggründen, stets aus eigenem Entschluss in die Politik. In der Regel hat man sich vorher auch Gedanken dazu gemacht, mögliche Vor- und Nachteile, sicher auch Risiken abgewogen. Zu denen leider im Extremfall auch Angriffe auf die eigene Person zählen.


Nun häufen sich in jüngster Zeit Attacken auf Politiker*innen, ganz gleich welcher Ebene. Die Justizministerin von Sachsen hat deshalb vor kurzem einen Vorstoß zur Ahndung politischen Stalkings unternommen.


Der Vorschlag scheint auf den ersten Blick nicht nur angebracht sondern überfällig. Tätliche Angriffe wie der auf den Europa-Politiker Matthias Ecke lassen Erinnerungen an die Prügelhorden Hitlers wach werden.


Dennoch muss ein Einwand erlaubt sein: Sind es ausschließlich politisch Aktive, die wegen ihres Einsatzes für die Gesellschaft gefährdet sind? Was ist mit anderen Engagierten und ehrenamtlich Tätigen, die sichtbar Stellung beziehen und deswegen angegriffen werden? Wäre es nicht sinnvoller, umfassend all diejenigen zu schützen, die der Gemeinschaft etwas geben? Und bedarf es dazu tatsächlich neuer Straftatbestände oder nicht vielmehr einer konsequenten Umsetzung der bestehenden Normen oder Reformen bei der gesellschaftspolitischen Bildung?


Trotz solcher Überlegungen ist die Debatte über den Umgang mit politischem Stalking keinesfalls unnütz oder gar überflüssig. Sie gehört aber mit Bedacht und mit stetem Blick darauf geführt, dass politisch Aktive eben Menschen und gerade keine Auserwählten sind. Es wäre fatal, wenn Politikverdrossenheit weiter um sich griffe, weil Karteileichen einer Partei per se besser geschützt scheinen als tatkräftig Engagierte etwa bei den Pfadfinder*innen.














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